Nach sechs Jahren als Präsident des Westdeutschen Basketball-Verbands stellt sich Klaus-Rüdiger Biemer den Mitgliedern auf dem Verbandstag am 21. Juni in Duisburg nicht mehr zur Wiederwahl. In unruhigen Zeiten und in einer finanziell schwierigen Situation hatte er die Geschicke des Verbandes 2009 übernommen. Nach nun drei Amtsperioden wird er die Führung des größten Landesverbandes im Deutschen Basketballbund in andere Hände legen.
Herr Biemer, bereits vor Weihnachten kündigten Sie an, nicht erneut für eine Kandidatur zur Verfügung zu stehen. Was waren Ihre Beweggründe?
Klaus-Rüdiger Biemer: In erster Linie gesundheitliche und private Gründe! Als ich 2009 kandidierte, hatte ich mir vorgenommen, dieses Amt vier Jahre zu bekleiden, wenn die Mitglieder das wollen. 2013 stellte sich mir dann die Frage, ob ich noch einmal eine Legislaturperiode dranhänge, da wir in mehreren Bereichen mit unseren Ideen und Vorhaben noch lange nicht am Ende waren. So hatte ich mich dafür entschieden. Ich war halt noch nicht fertig! Wenn ich allerdings damals schon gewusst hätte, wie sich meine private Situation und auch meine Gesundheit entwickelt, hätte ich wohl darauf verzichtet.
Wie geht es Ihnen denn jetzt?
Biemer: Es geht mir wieder besser als vor einem Jahr, aber den alten Zustand bekomme ich nicht mehr zurück. Bald werde ich auch 74 Jahre alt. Seit Frühjahr 2014 bin ich gesundheitsbedingt immer wieder ausgefallen und konnte meine Aufgaben nicht mehr so wahrnehmen, wie ich sie verstehe. Es wird also Zeit für einen Nachfolger.
Und sind Sie denn jetzt „fertig"?
Biemer (schmunzelt): Nein, natürlich nicht! Aber das war auch nicht so wörtlich gemeint! Die Verbandsarbeit kann ja eigentlich nie fertig sein. Die Gesellschaft, und damit auch der Basketball, entwickeln sich stetig weiter, und damit auch die Herausforderungen und die Aufgaben für den Verband. Aber wir haben natürlich ein paar Vorhaben in die Tat umgesetzt.
Wie fällt denn Ihr Resümee, rückblickend auf die vergangenen sechs Jahre, aus?
Biemer: Ein wenig gemischt, aber in der Tendenz positiv! Ich habe bei meinem Amtsantritt eigentlich gedacht, dass ich gut informiert wäre. Doch ich wusste noch nicht einmal ein Bruchteil von dem, was auf mich, oder besser gesagt, auf uns zukommen würde. Und es war oft nicht einfach, besonders in den ersten beiden Jahren. Die waren von Rechtsfragen und Satzungsproblemen und auch ein wenig von den Finanzen geprägt. Da ist die eigentliche Arbeit, die ich ins Auge gefasst hatte, nahezu liegen geblieben. Die zweite Amtsperiode war sehr viel produktiver, während die letzten beiden Jahre wieder von Rechtsstreitigkeiten belastet waren und ich auch aus besagten gesundheitlichen Gründen nicht so konnte, wie ich wollte.
Aber produktiv hört sich ja auch positiv an!
Biemer: Ja sicherlich! Wir haben die Finanzen konsolidiert, was im Nachhinein sogar leichter war als befürchtet, denn wir haben Ausgaben reduziert und Fördermittel abgerufen oder neu erschlossen (wie auch beim zweiten Landestrainer). Wir haben die Satzung zukunftssicher aufgestellt und Ordnungen angepasst, auch wenn an einzelnen Punkten noch mal gefeilt werden muss. Wir haben die Regional-Stützpunkte eingerichtet, erweitert und umorganisiert und sind bei der Talentsichtung- und Förderung um 30% effektiver aufgestellt. Die Trainerausbildung wurde benutzerfreundlich weiterentwickelt. Jugendligen wurden neu geordnet, bedürfen aber einer Nachjustierung in Sachen Leistungssport und Kreisliga-Basketball. Wir haben zudem in die Infrastruktur investiert, die Geschäftsstelle renoviert, modernisiert und vergrößert, Geschäftsabläufe optimiert, die Finanzbuchhaltung umstrukturiert, den Internetauftritt verbessert und eine Regionalligaseite ins Leben gerufen. Und ganz wichtig, wir haben im Vergleich zu 2009 wieder sehr viel Ruhe reingebracht. Das Verhältnis zum DBB wurde ebenfalls wieder verbessert, der WBV wird wieder wahrgenommen.
Und was ist dann noch nicht „fertig"?
Biemer: Eigentlich kann ich da gleich wieder auf die Aufzählung davor verweisen. Wir können in allen Punkten noch besser werden. Wir brauchen natürlich mehr Talente, noch mehr Trainer, noch mehr Nachwuchs und Mitglieder und natürlich auch noch mehr Schiedsrichter. Bei Talenten, Trainern, Schiedsrichtern müssen wir an der Qualifikation arbeiten. Dafür braucht man wiederum einen größeren finanziellen Spielraum für bestimmte Projekte. Und es gibt natürlich auch noch weitere Baustellen....
...die da wären?
Biemer: Der Bereich Leistungssport muss anders und neu aufgestellt werden. Er muss noch mehr in den Vordergrund rücken. Über die Erfolge im Leistungssport und der Talentförderung definiert sich ein Verband, kann er sich von anderen Fachverbänden abheben. Letztendlich werden über den Leistungssport auch viele Weichen für die zur Verfügung stehenden Fördermittel gestellt. Dafür ist es vielleicht auch im WBV nötig, den Leistungssport in einem anderen oder sogar eigenen Fachbereich anzusiedeln. Fachpersonal muss her und die sportwissenschaftliche Begleitung muss sichergestellt werden. Auch im Schiedsrichterwesen bedarf es sicherlich einer Neuorientierung. Natürlich muss an der Qualifikation der Referees gearbeitet werden, wir müssen aber auch an die Breite denken. Nicht jeder Schiedsrichter muss Regionalliganiveau haben. Wir brauchen besonders auf Kreis- und Bezirksligaebene und auch im jungen Nachwuchsspielbetrieb viel mehr Schiedsrichter, um so nicht zuletzt die Kosten für die Vereine im Auge zu behalten. Im Breitensport brauchen wir Multiplikatoren im Bereich „Schule & Sport". Wir sollten mittelfristig über eine Umstrukturierung der WBV-Kreise diskutieren. Der Spielbetrieb von Bezirksliga bis Oberliga und Jugend-Oberliga bis Jugend-Regionalliga sowie die Spielgruppenanzahl und -stärke und Zuordnung zu BBK oder WBV ist meines Erachtens zu überdenken. Der sinkenden Zahl von Seniorenmannschaften und dem teilweise sehr dürftigen Spielbetrieb in den Kreisen muss Rechnung getragen werden.
Wo steht der WBV denn im bundesweiten Vergleich?
Biemer: Sicherlich nicht da, wo er als größter Landesverband hingehört! Ich hatte ja schon gesagt, dass sich das Verhältnis zum DBB verbessert hat und der Stellenwert unseres Verbandes wieder ansteigt. Aber wir sind zugegebenermaßen noch weit von der Situation der 70er, 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts entfernt. Da war der Einfluss des WBV im DBB maßgeblich, sowohl auf Funktionärsebene als auch im eigentlichen Sportwesen mit den damaligen Hochburgen Leverkusen, Hagen und Köln bei den Herren oder Düsseldorf bei den Damen. In den Bundesligen, sowohl bei den Herren, als auch bei den Damen, sind wir inzwischen unterdurchschnittlich vertreten genauso, wie auch in den Nationalkadern, egal ob beim Nachwuchs oder in den A-Teams. Da hat der WBV erheblichen Nachholbedarf, da müssen wir vielleicht alle mal an einer Agenda für die Zukunft arbeiten. Aber ich bin mir sicher, dass sich meine Nachfolger mit diesen Themen beschäftigen werden.
Hinterlassen Sie denn, wie man gerne sagt, „ein bestelltes Feld"?
Biemer: Eigentlich sollen sich da andere ihr Urteil darüber bilden. Angesichts der vielen Aufgaben-felder, die wir angeschnitten haben, wäre es wohl vermessen, von einem „bestellten Feld" zu sprechen. Aber ich stelle mein Amt im guten Glauben zur Verfügung, dass wir in den vergangenen sechs Jahren, bei allen Randgeräuschen wie Rechtsstreitigkeiten und finanziellen Sorgen, einen guten Job gemacht haben. Ich sehe den WBV auf einem guten Weg, der aber noch einige Schlaglöcher aufweist. Doch die sind für den WBV als größten Landesverband zu beseitigen, davon bin ich felsenfest überzeugt.
Bei einem „bestellten Feld" wäre normalerweise auch eine Nachfolgeregelung implementiert! Gibt es da Überlegungen?
Biemer: Na ja, selbst wenn ich es wollte, kann ich meinen Nachfolger ja nicht selbst bestimmen. Und ich sage: „zum Glück"! Der Verbandstag ist unser höchstes Organ und wir können stolz darauf sein, dass dort jedes Jahr aufs Neue Demokratie gelebt wird. Die Mitglieder entscheiden, wie das nächste Präsidium besetzt wird. Aber ich mache keinen Hehl daraus und habe dies auch in meinem Abschlussbericht noch mal ausdrücklich gesagt, dass ich mir meinen Präsidiumskollegen Uwe Plonka hervorragend als zukünftigen WBV-Präsidenten vorstellen kann. Uwe Plonka war als neues Präsidiumsmitglied vor zwei Jahren zu uns gestoßen und hat sich in seinem Bereich Finanzwesen nachhaltig in die Präsidiumsarbeit eingebracht. Wir kannten uns zuvor gar nicht, doch die Zusammenarbeit hat von der ersten Minute an hervorragend funktioniert und wurde auch schnell mit Vertrauen erfüllt. Uwe Plonka ist Basketballer und Vereinsmensch durch und durch, und bringt zugleich dank seiner beruflichen Tätigkeit in leitender Funktion eines großen Versicherungskonzerns die nötigen Führungsqualitäten mit. Auch beim DBB hat er in der Finanzkommission bereits erste Spuren hinterlassen. Und auch wenn es sich ein bisschen widerspricht: Mit seiner erst zweijährigen Präsidiumsarbeit steht er zum einen als „Rookie im WBV" für neue Impulse und darf als unbelastet durch die Vergangenheit bezeichnet werden. Zum anderen würde er aber gerade durch diese erste Amtsperiode, in der er den WBV wirklich kennen lernte, auch für eine, aus meiner Sicht, unabdingbare Kontinuität stehen. Er hat in letzter Zeit, als ich ausfiel, auch schon Aufgaben von mir übernommen. Ich würde mich freuen, wenn die Mitglieder am 21. Juni meiner Empfehlung nachkämen, Uwe Plonka als neuen Präsidenten zu wählen.
Und was macht Klaus-Rüdiger Biemer nach dem 21. Juni mit seiner neu gewonnen Freiheit?
Biemer: Darüber habe ich mir noch nicht viele Gedanken gemacht! Grundsätzlich freue ich mich, gesundheitlich wieder etwas besser dran zu sein und hoffe, dass das so bleibt oder noch besser wird. BB-Leistungssport ist ein Steckenpferd von mir, aber ich weiß noch nicht, ob ich da noch irgendwie mitarbeiten möchte. Mein Heimatverein, TV Neunkirchen, hat auch schon mal wegen Mitarbeit angeklopft. Ich werde aber vorerst ein wenig Abstand zum Basketball nehmen und mich um private Angelegenheiten kümmern, die in den letzten Jahren in Haus und Garten und in der Familie zurückstehen mussten. Und ich habe noch so viele Bücher zu lesen, Geschichte ist ja auch ein Hobby von mir. Doch Basketballer ist und bleibt man ja sein ganzes Leben. Ich werde in unserem geliebten Sport und im WBV alles aufmerksam verfolgen.
(Text: maGro/Marc Grospitz, Fotos: powerplay-sportfoto/Dirk Unverferth)